Orientzyklus 06 - Der Schut by Karl May

Orientzyklus 06 - Der Schut by Karl May

Autor:Karl May [May, Karl]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historical Fiction, Action & Adventure
Herausgeber: MobileRead
veröffentlicht: 2012-01-25T09:16:04+00:00


Fuenftes Kapitel: Ein Ueberfall

Noch niemals hatte der Hadschi mit solcher Eleganz im Sattel gesessen, wie an diesem Morgen. Um nämlich den schönen Kettenpanzer nicht als hinderliches Gepäck mitnehmen zu müssen, hatte er ihn angelegt, den Damaszener umgeschnallt und den Dolch in den Gürtel gesteckt. Mit dieser Rüstung Stojkos ausgestattet, dünkte sich der kleine Kerl etwas anderes und natürlich viel Besseres als gewöhnlich zu sein.

Damit man den Panzer ja nicht übersehen könne, hatte er seinen Kaftan nicht angezogen, sondern mit Hilfe einer Schnur über die Achseln gehängt, so daß derselbe wie ein Mantel ihn umfloß und bei schnellem Ritt wie eine Flagge nachwehte. An seinen Turban hatte er ein rot und gelb gestreiftes seidenes Tuch befestigt, welches ein Andenken an Konstantinopel war; auch dieses flatterte kokett nach hinten. Der sehr blank geriebene Panzer glänzte und funkelte in den Strahlen der Sonne, die sich erhob, als wir, die Gabelung der Wagenspuren hinter uns, über die Höhe ritten, welche hier die Wasserscheide zwischen Drin und Treska bildete und sich in mächtigen Felsenstufen zum Tale des erstgenannten Flusses niedersenkte.

Die öftere Erwähnung von steilen Felswänden, von Schluchten und Rissen darf nicht verwundern. Die Gebirge der Balkanhalbinsel - besonders die westlich gelegenen und vor allen Dingen der Schar Dagh - sind meist von gewaltigen, tief zerklüfteten Felsenmassen gebildet. Senkrechte Wände von mehreren hundert, ja über tausend Fuß Höhe sind da gar keine Seltenheit. Zwischen diesen eng beieinander stehenden Mauern tritt das Gefühl äußerster Hilflosigkeit an den Fremden heran. Es ist, als ob die schweren Massen über ihm zusammenbrechen wollten. Es kommt der Gedanke, wieder umzukehren, um dem Verderben zu entgehen, und unwillkürlich treibt man die Pferde zu größerer Schnelligkeit an, um dem niederdrückenden Bewußtsein menschlicher Ohnmächtigkeit zu entgehen und die Gefahr hinter sich zu legen.

Bei diesem abwehrenden Aufbau des Hochlandes ist es sehr erklärlich, daß die Bewohner desselben den fremden Eroberern gegenüber stets mehr oder weniger ihre Unabhängigkeit bewahrten. Diese finsteren, drohenden, kalten Schluchten und Gründe sind natürlich von großem Einfluß auf den Charakter und die physische Beschaffenheit der Bevölkerung gewesen. Der Skipetar ist gegen Fremde ebenso ernst, abgeschlossen und feindselig wie sein Land. Seine sehnige, kraftvoll elastische Gestalt, sein ernstes Gesicht mit den granitnen, unerbittlichen Zügen, sein kalt blickendes und abweisend drohendes Auge stimmt ganz mit der Beschaffenheit der von ihm bewohnten Berge überein. Sein Inneres zeigt wenig helle, freundliche Punkte; es ist von tiefen Spalten und Rissen durchzogen, in deren Gründen die Wasser des Hasses, der Rache und des unversöhnlichen Zornes schäumen. Selbst untereinander sind diese Leute argwöhnisch und mißtrauisch. Die Stämme schließen sich voneinander ab, die einzelnen Familien und Personen ebenso. Doch dem Eindringling gegenüber scharen sie sich zusammen, wie ihre aneinander stehenden Felsen, welche dem Reisenden nur an seltenen Stellen einen schmalen, mühsamen Durchgang gewähren.

Diese Betrachtungen drängten sich mir auf, als wir dem uns führenden Wagengeleise durch schmale Klüfte und mit Felstrümmern bedeckte Brüche, über scharfe Grate und abschüssige, vom Regen glatt gewaschene Steilungen folgten. Ich konnte nicht begreifen, wie Junak, der Kohlenhändler, hier auf diesem Weg sein armseliges Fuhrwerk hatte fortbringen können.



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